Mit Beschluss vom 18. Dezember 2019 (Az.: I-7 W 66/19) entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass sich das soziale Netzwerk bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Zustellung von deutschsprachigen Schriftstücken begnügen muss. Dass Facebook seinen Sitz in Irland hat, ändere daran nichts.
Das Gericht argumentierte, dass es auf die Organisation des Unternehmens ankomme. Aus dem deutschen Internetauftritt von Facebook, insbesondere aus den speziellen deutschen Nutzungsbedingungen, ergebe sich ein hinreichendes Sprachverständnis des Unternehmens.
Ein Facebook-Nutzer hatte gegen den Konzern eine einstweilige Verfügung erwirkt und diese in deutscher Sprache zugestellt. Das Gericht hatte nun zu prüfen, ob dem Nutzer die Kosten für die Zustellung zu ersetzen sind, was nur dann der Fall ist, wenn diese auch wirksam erfolgte.
Bereits das Amtsgericht Berlin Mitte hatte mit Versäumnisurteil vom 08.03.2017 (Az.: 15 C 364/16) in einem ähnlichen Fall gegen Facebook entschieden.
Diese Grundsätze sind auch bei einer Klage gegen Google aufgrund der Verletzung von Prüfungspflichten im Falle einer negativen Bewertung bei Google anzuwenden.
Die Gründe des Beschlusses vom OLG Düsseldorf vom 18.12.2019 im Volltext:
Facebook kann Deutsch: Zustellungen in deutscher Sprache auch in Irland möglich
Das Landgericht hat der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 18.09.2018 untersagt, den Antragsteller für das Einstellen eines bestimmten Textes auf www.facebook.com zu sperren oder den Beitrag zu löschen.
Darüber hinaus hat es die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
Dieser sollte die Beschlussverfügung vom 18.09.2018 in deutscher Sprache im Wege der Rechtshilfe zugestellt werden. Mit Schreiben vom 25.02.2019 meldete sich für die Antragsgegnerin die in Dublin ansässige Kanzlei … und erklärte, dass die Antragsgegnerin die Entgegennahme der ihr im vorliegenden Verfahren übersandten Schriftstücke ablehne, da keine englische Übersetzung der Schriftstücke zur Verfügung gestellt worden sei und die Rechtsabteilung der Antragsgegnerin die deutsche Sprache nicht verstehe.
Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 11.03.2019 Kosten von insgesamt 729,23 € gegen die Antragsgegnerin festzusetzen. Die Rechtspflegerin wies den Antrag durch den angefochtenen Beschluss mit der Begründung zurück, dass kein wirksamer Titel nach § 103 Abs. 1 ZPO vorliege, weil die einstweilige Verfügung nicht wirksam zugestellt worden sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er ersichtlich eine sachliche Entscheidung über seinen Kostenfestsetzungsantrag vom 11.03.2019 begehrt und unter Bezugnahme auf Rechtsprechung ausführt, dass die Antragsgegnerin rechtsmissbräuchlich handele, weil durch ihre Berufung auf den Unternehmenssitz der europarechtlich angeordnete Verbrauchergerichtsstand faktisch ausgehöhlt werde.
Das Landgericht habe sich nicht mit dem Indiz auseinandergesetzt, dass die Antragsgegnerin in allen Fällen, in denen sie Klageschriften habe zurückweisen lassen, eine deutsche Kanzlei beauftragt habe. Der EuGH habe entschieden, dass die nationalen Gerichte sich an Indizien wie den vorgebrachten orientieren dürften, wenn sie einen Rechtsmissbrauch annehmen wollten. Insoweit sei die Annahme des Landgerichts, dass eine Vermutung, dass die bei der Antragsgegnerin beschäftigten Juristen der deutschen Sprache nicht mächtig seien, nicht ausreiche, unzutreffend.
Die Antragsgegnerin, der zur sofortigen Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 27.03.2019 rechtliches Gehör gewährt worden ist, hat zunächst die ihr übersandten Schriftstücke durch die in Dublin ansässige Anwaltskanzlei … mit dem Bemerken, dass sie nicht in einer Sprache, die die Antragsgegnerin verstehe, übersetzt worden seien, zurückgesandt. Sodann hat sie durch die in Frankfurt ansässige Anwaltskanzlei … die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt und die Auffas-sung vertreten, die sofortige Beschwerde sei weder nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 noch nach Nr. 2 ZPO zulässig. Unter Hinweis auf landgerichtliche Rechtsprechung führt die Antragsgegnerin aus, dass die einstweilige Verfügung (und damit die Kostengrundentscheidung) vom 18.09.2018 wegen fehlender Übersetzung nicht wirksam zugestellt worden sei.
Die gemäß § 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Be-schwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der vom Landgericht und der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 06.12.2019 vertretenen Ansicht ist die Zustellung der Beschlussverfügung und der weiteren der Antragsgegnerin vom Landgericht übersandten Schriftstücke wirksam.
Die Verweigerung der Annahme wegen einer fehlenden englischen Übersetzung ist unberechtigt gewesen, so dass die Zustellung der Schriftstücke entsprechend § 179 Satz 3 ZPO als erfolgt anzusehen ist. Der Senat schließt sich nicht den von der Antragsgegnerin zitierten landgerichtlichen Entscheidungen, sondern der gegenteiligen – obergerichtlichen – Rechtsprechung zu der hier streitigen Frage an.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO kann die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks verweigert werden, wenn es nicht in einer Sprache abgefasst ist, die entweder der Empfän-ger versteht (lit. a) oder welche Amtssprache am Zustellungsort ist (lit. b). Die 2. Alt. kommt vorliegend nicht in Betracht, da Deutsch keine Amtssprache in Irland ist. Es ist aber davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin die deutsche Sprache versteht und deshalb nicht zur Annahmeverweigerung der zuzustellenden Schriftstücke berechtigt gewesen ist.
Für die Frage, ob bei einem Unternehmen als Empfänger vom Verständnis der Sprache auszugehen ist, kommt es nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt an. Maßgeblich ist, ob aufgrund der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass in dem Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sind, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern können. Insofern hat eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen (vgl. EuGH, Beschluss vom 28.04.2016, C-384/14 Rn 77 ff., juris; OLG Köln, NJW-RR 2019, 1213 m.w. Nachw.; LG Offenburg, Urteil vom 26.09.2018 – 2 O 310/18-, juris; LG Stuttgart, Urteil vom 29.08.2019 – 11 O 291/18 –BeckRS 2019, 21036). Diese ergibt hier, dass die im Schreiben vom 25.02.2019 aufgestellte Behauptung der Antragsgegnerin, dass kein Mitglied ihrer Rechtsabteilung ausreichende Sprachkenntnisse besitze, um Beschwerden, Gerichtsbeschlüsse oder Mitteilungen auf Deutsch in vollem Umfang zu verstehen oder das Unternehmen ohne die Unterstützung eines externen Beraters auf Deutsch zu verteidigen, eine reine Schutzbehauptung ist und auf Seiten der Antragsgegnerin sehr wohl ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind. Es ist gerichtsbekannt, dass die Antragsgegnerin in Deutschland über eine Vielzahl von Nutzern verfügt, denen sie ihre Plattform vollständig in deutscher Sprache zur Verfügung stellt. Zudem sind sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anl. K1) und die Gemeinschaftsstandards (Anl. K3) in deutscher Sprache gehalten. Die vorgelegten aktuellen Nutzungsbedingungen enthalten zwar nicht mehr – wie die Vorgängerversion – die ausdrückliche Wahl des deutschen Rechts. Den „zusätzlichen Bestimmungen“ in Abschnitt 4 liegt jedoch ersichtlich die Geltung deutschen Rechts zu Grunde. Die formulierten „Haftungsbeschränkungen“ entsprechen in allen Einzelheiten den diesbezüglichen Wirksamkeitserfordernissen für Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 309 Nr. 7 BGB. Sie enthalten einen ausdrücklichen Verweis auf das deutsche Produkthaftungsgesetz. Im Unterabschnitt 4 weist die Antragsgegnerin ihre Nutzer darauf hin, dass dann, wenn sie Verbraucher sind und ihren ständigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, die Gesetze dieses Mitgliedstaates für jeglichen Anspruch, Klagegegenstand oder Streitfall ihr gegenüber gelten und der Nutzer seinen Anspruch vor jedwedem Gericht in diesem Mitgliedstaat klären lassen kann, das für den Anspruch zuständig ist. Die Formulierung dieser Nutzungsbedingungen wäre ohne gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts nicht möglich. Folglich erweist sich die Verweigerung der Annahme der nicht übersetzten Schriftstücke durch die Antragsgegnerin als nicht zulässig und rechtsmissbräuchlich (ebenso OLG Köln, a.a.O.; OLG München, Beschluss vom 09.05.2019 – 18 W 523/19 –; OLG Dresden, Beschluss vom 05.04.2019 – 3 W 286/19 –; LG Stuttgart, a.a.O.; LG Offenburg, a.a.O.; LG Schwerin; Beschluss vom 05.03.2019 – 3 O 162/18 –).
Der Senat überträgt die Entscheidung über das Kostenfestsetzungsgesuch des Antragstellers vom 11.03.2019 gemäß § 572 Abs. 3 ZPO der Rechtspflegerin beim Landgericht, die der Antragsgegnerin hierzu noch rechtliches Gehör zu gewähren und auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.